Freitag, 27. November 2009

Gott erhalte, Gott beschütze, vor dem Kaiser unser Land... Oder: Wie sinnhaft sind die Habsburgergesetze?

Ulrich Habsburg-Lothringen ist ein Herr von fortgeschrittenem Alter und ärgert sich: Er darf, so die österreichischen Behörden, nicht zur Wahl des Bundespräsidenten im kommenden Jahr antreten. Die zuständigen Ämter berufen sich dabei unter anderem auf Artikel 60 Absatz 3 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes von 1920:

Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.


Herr Habsburg findet das ungerecht. Schließlich kann er ja nichts dafür, dass seine Familie - nach Eigendefinition Berufspolitiker seit 800 Jahren - von 1282 bis 1918 - also 636 Jahre lang - mit nahezu unumschränkter Machtfülle dieses Land beherrscht haben. Kluge und dumme, fortschrittliche und konservative Habsburger hat Österreich in allen Funktionen gesehen auch exzentrische Schwule und bigotte Katholiken (von Letzteren etliche mehr). Mörder, Lügner und Urkundenfälscher aber auch Reformer und Visionäre. Eine typische Familie möchte man meinen, mit dem Unterschied eben, dass ihre Spinnereien wesentlich mehr Menschen als nur sie selbst betroffen haben. "Wenn es den Kaiser juckt müssen die Völker sich kratzen." hieß es nicht umsonst.

Seit dem 11. November 1918 aber, seit der etwas naive und geistig mäßig begabte, dafür aber umso gläubigere Kaiser Karl (Ausspruch eines Generals: "Kaiser Karl ist dreißig Jahre alt, sieht aus wie ein Zwanzigjähriger und denkt wie ein Zehnjähriger."), unter Druck und nachdem er zunächst in Ohnmacht gefallen war, "auf alle Anteile an den Regierungsgeschäften" verzichtet hat und schließlich das Land verlassen musste, seit damals hat sich das mit den Habsburgern etwas geändert. Kaiser Karl hat 1922 auf Madeira wegen einer Lungenentzündung das Zeitliche gesegnet und wurde mittlerweile aufgrund der mirakulösen Heilung einer brasilianischen Nonne von den Krampfadern seeliggesprochen, obwohl er im Ersten Weltkrieg noch großzügig den Einsatz von Giftgas erlaubt hatte. Ulrich Habsburg-Lothringen ist zwar auch noch Politiker, aber eben nicht Erzherzog und Mitglied des cisleithanischen Herrenhauses, sondern Gemeinderat von Wolfsberg in Kärnten, für die Grünen wohlgemerkt. Er strengt nun, gemeinsam mit seiner Nichte, ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof an, um die diskriminierenden Bestimmungen aufheben zu lassen. Die einschlägige 800-jährige Berufserfahrung seiner Familie hat sich auf seine Kenntnis der österreichischen Verfassung jedoch scheinbar nicht positiv ausgewirkt. Was aber nur mäßig verwundert, bedenkt man das habsburgische Verhältnis zur Constitution, die sie als Beleidigung ihres Gottesgnadentums betrachteten. Kaiser Franz Joseph sagte deshalb dereinst zu einem seiner Minister: "Ich verbiete ihm das Wort Verfassung noch einmal in den Mund zu nehmen!", erließ dann aber doch - gezwungenermaßen - mehr Verfassungen als Richard Lugner Hasen hat. Es ist aber eben ein Merkmal der Demokratie, dass vor allem jene sich allzugerne auf die Verfassung berufen, denen sie an und für sich ein Dorn im Auge ist. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wird aber - diese bescheidene Expertise erlaube ich mir hiermit abzugeben - die betreffenden Bestimmungen ganz gewiss nicht aufheben. (Sie sind seit 1920 im Bundes-Verfassungsgesetz bzw. in Verfassungsrang, gehören also nach der "Versteinerungstheorie" zum Urbestand des Bundesverfassungsrechtes, und können daher per se nicht baugesetzwidrig sein - nur das würde eine Aufhebung ermöglichen. Außerdem könnte man argumentieren - auch wenn ich mich dem nicht anschließen würde, dass sie sogar den Schutz des republikanischen Grundprinzips der Bundesverfassung genießen.)

Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob man Menschen für die (ehemalige) Stellung ihrer Familie zur Verantwortung ziehen kann und soll. Nun hat die Familie Habsburg dem Lande Österreich in seiner Geschichte zweifellos großen Ruhm beschert und es verdankt ihr gewissermaßen seine heutige Existenz. Den Ruhm haben die Habsburger aber in einem Aufwisch auch wieder beseitigt und was die Existenz anbelangt wäre die ihrer Deutschtümelei auch beinahe zum Opfer gefallen. Österreich ist seit 1918 wohl etwa 40% größer als es 1282 war. Das beträgt einen jährlichen Gebietszuwachs von statistisch 0,06%, auch das relativiert ihren Erfolg. Wären die Habsburger eine Bank, ich würde ihnen mein Geld nicht anvertrauen.



Dennoch kann Ulrich Habsburg-Lothringen für sich anführen, dass er mit dem allen nichts zu tun habe. Auch wenn er sich stolz "Mitglied des Hauses Habsburg-Lothringen" nennt - worauf Mitglieder der Häuser Prohaska und Pospischil wohl nie kommen würden - und sich vom Beifall der ewig Vorvorgestrigen zu seiner Verfassungsklage nicht irritiert zeigt. Die Habsburger-Gesetze, um die es in seiner Klage unter anderem geht, entstanden in den Gründungsjahren der Republik aus Angst vor einer Restitution der Monarchie. Diese stand im Raum, da sich vor allem die Christlichsozialen in der Frage der Staatsform zwiegespalten zeigten. Die Ansicht, dass Habsburg das einzig österreichische an Österreich gewesen sei, verschärfte diese Haltung nur noch. Die Zerrissenheit zeigt sich gut in einer damals kursierenden Scherzstrophe auf die alte Kaiserhymne:


Gott erhalte, Gott beschütze
Unsern Renner, unsern Seitz,
Gott erhalte vorsichtshalber
Auch den Kaiser in der Schweiz.


Wer von den Habsburgern sich nicht zur Republik bekannte, musste gehen. Die Situation verschärfte sich noch einmal, als Kaiser Karl - offensichtlich vom Lauf der Dinge gefrustet und noch ohne Wissen um seine postmortale Tätigkeit als seeliger Krampfadernheiler - bei seiner Ausreise in die Schweiz - die roten Eisenbahner hatte zu seiner Begrüßung im letzten Bahnhof vor der Grenze eine Strohpuppe in K&K Uniform aufgehängt - das sogenannte "Feldkircher Manifest" erließ, in dem er nicht nur seinen Machtverzicht zurücknahm, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Deutschösterreichischen Regierung verneinte. Diese reagierte patzig und hob neben dem Adel, auch seine Vorrechte und Orden auf und erließ das Habsburger-Gesetz, das unter anderem bestimmte:


Im Interesse der Sicherheit der Republik werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen, diese, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes verwiesen.


Seitdem muss sich jeder, der seine ehemaligen Titel öffentlich verwendet vor der Zahlung von 20.000 Kronen oder 6 Monaten Gefängnis fürchten. Otto Habsburg durfte erst in den 60ern nach Österreich einreisen, nachdem er erneut Verzicht geübt hatte. Der Ausschluss der Habsburger vom passiven Wahlrecht zum Bundespräsidenten - findig formuliert um sie nicht explizit nennen zu müssen - war nur eine weitere logische Konsequenz.

Wie zeitgemäß es heutzutage noch ist eine Familie von der Wählbarkeit auszuschließen die ihre besten Zeiten schon länger hinter sich hat als Jeannine Schiller, kann man sich gerne fragen. Auch ob jemand, dessen Aufenthalt in Österreich nur auf seinen Verzicht, oder den Verzicht seiner Vorfahren, auf die Mitgliedschaft im Hause Habsburg-Lothringen zurückgeführt werden kann, überhaupt unter die Bestimmungen des Art. 60 Abs. 3 S. 2 fällt, weil er dann ja eigentlich gar kein Mitglied dieses Hauses mehr sein kann, darf diskutiert werden.
Wer die Unterstützung einer Handvoll bierseliger schwarz-gelber CV'ler und der Kaiser-Karl-Gebetsliga genießt, hat wohl kaum Chancen auf das höchste Staatsamt, zumal die intellektuellen Kapazitäten vieler Habsburger, bedingt auch durch ihre übermäßige Verwandtschaft untereinander, nicht gerade bombastisch ausfallen. Spätestens seit ihr mittlerweile 97-jähriger Patriarch Otto vom US-amerikanischen Außenministerium als Negerministerium und vom Department of Defence als Judenministerium sprach oder den Namen Habsburg mit dem Tragen des Judensterns verglich, hat sich das Ansehen der allerhöchsten Familie in Kreisen von Zurechnungsfähigen, die nicht täglich beim Zähneputzen das Gott-erhalte summen oder dem tridentinischen Ritus anhängen, merklich geschmälert. Auch die Tatsache, dass der greise Otto die Chuzpe hatte vor einer ÖVP-Veranstaltung im Sitzungssaal der Bundesversammlung die Errichtung der austrofaschistischen Diktatur des Engelbert Dollfuß mit dem Satz "Wenn's ums Land geht ist alles erlaubt." zu rechtfertigen - was sogar Wolfgang Schüssel zum sanften Widerspruch reizte - sollte einem zu denken geben. Die Tatsache, dass jemand sieben Sprachen fließend spricht (Deutsch, Englisch, Kroatisch, Ungarisch, Spanisch, Französisch und Latein) und sich von Hitler nicht hat vereinnahmen lassen, kann über seine erzkatholische und zutiefst reaktionäre Weltanschauung nicht hinwegtäuschen. Trotz oder gerade wegen alledem braucht sich aber eine moderne und gefestigte Republik vor einer mehr schrulligen als gefährlichen Familie nicht zu fürchten. Die Zeiten in denen für Habsburger österreichische Reisepässe ausgegeben wurden in denen "gilt für alle Staaten der Welt mit Ausnahme Österreichs" stand, sind vorüber. Die Beziehung des Staates zu diesem Teil seiner Bürger hat sich letztendlich normalisiert. Das sollte sich auch im Gesetzesbestand auswirken. Wofür eine völlig normale Familie weiterhin ein eigenes Gesetz braucht ist heutzutage erklärungsbedürftig. Solange die Enteignung der habsburgischen Vermögen - Geld das sie vom Volk bezogen/ dem Volk entzogen haben - gewährleistet bleibt spricht nichts gegen einen Abbau sonstiger Beschränkungen. Verbietet man ihnen das Antreten zu Wahlen, gesteht man ihnen in Wirklichkeit eine Wichtigkeit zu die sie schon lange nicht mehr besitzen. Diese Familie gefährdet sich selbst weitaus mehr als die Republik. Wenn Habsburg ein Name wie Maier oder Gruber sein soll, muss er auch auf einem Wahlzettel stehen dürfen. Zumindest zum Amüsement des Wählers.

Montag, 23. November 2009

Warum Hass gegen Angst hilft, oder: Wie der Faschismus in die Welt kam.

Die Menschenmenge auf der Plaza de Oriente in Madrid schwenkt Fahnen und Transparente. Drei halten den Schriftzug Accion Juvenil Española (Junge Spanische Aktion) hoch, unter ihnen ein etwa 80jähriger. Eine Frau hat sich in eine rot-gelb-rote Fahne gewickelt auf der ein riesiger Adler prangt, in seinen Fängen Pfeile und Bogen, die Symbole der Falange. Das Spruchbanner über seinem Haupt verspricht Una grande Libre (Eine große Freiheit).



Falange ist das spanische Wort für Phalanx, es symbolisiert Geschlossenheit, Schutz, Abwehr. Bis zur Transición, der Zeit des politischen Übergangs zur Demokratie nach Francos Tod 1975 , war die Falange Einheits- und Sammelpartei des Spanischen Faschismus. Ihr Regime war zunehmend autoritär und weniger totalitär, wer den Mund halten konnte durfte sich ins Privatleben flüchten. Der starke Stützpfeiler der Falangediktatur war neben ihrem milizartig organisierten Repressionsapparat, der Guardia Civil, vor allem die katholische Kirche. Was fängt man mit so einem Regime an? Was sind das für Leute, die es als seine giftige Verlassenschaft zurücklässt?

Die Falange, so sind sich die Fachwissenschaftler einige, war/ist eine faschistische Organisation. Faschismus ist eines von den Dingen die man über das definiert, was sie nicht sind. So wie die Europäische Union weder Staat noch Staatenbund ist, so ist faschistisch was antidemokratisch und antikommunistisch ist. Dazwischen spannt sich ein weiter Bogen: Während die Neofaschisten auf der Plaza de Oriente "Es lebe Christus der König!" rufen, können jene, die der deutschen Faschismusfiliale nachtrauern, u. a. im Aufruhrversand dieser Tage Karten für das Julfest ordern auf denen Väterchen Odin, flankiert von seinen Raben, als Christkind- und Nikolaussurrogat herhalten muss. Während Mussolini durch die Lateranverträge den Katholizismus zur Staatsreligion machte, gab Hitler der Kirche ein Konkordat, das das Papier nicht wert war auf dem es geschrieben stand. Die große Klammer die sich um all diese Faschismusvarianten schließt ist aber, neben den antiideologischen Gemeinsamkeiten, vor allem eines: Die Angst.

Wer eine ausreichende Portion Mut mit Lebensmüdigkeit in sich vereint und einen Faschisten frägt, ob er Angst habe, wird entweder ein verbales oder ein nonverbales "Nein" zur Antwort bekommen. Letzteres könnte durchaus schmerzhaft ausfallen. Faschisten fürchten nichts - außer Gott vielleicht und das trifft wie gesagt auch nicht auf alle zu. Sie sind auch meistens bereit dies eher schlagkräftig als schlagfertig unter Beweis zu stellen. Das Gefühl das diese Leute permanent, teils offen, teils versteckt, zum Ausdruck bringen ist Hass. Aber auch ohne hier zu sehr in star-wars-philosophische Überlegungen abgleiten zu wollen (Angst führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unermesslichem Leid! Die dunkle Seite lockt und verführt.), kann sich jeder vorstellen, dass Hass eine Abwehrreaktion gegen Angst ist, denn Faschisten haben sehr wohl Angst und zwar mächtig. In solchen Versammlungen wie jener in Madrid findet man Menschen verschiedener, meist aber unterer Schichten. Jene die sich an ihre Spitze heben sind praktisch immer ausgesprochene Riesenegos, noch größer als in der Politik ohnehin üblich. Was erwartet man sich auch von Menschen, die Verfechter des Führerprinzips und des Kampfes der Starken gegen die Schwachen sind? Oft atomisieren sich faschistische Splitterparteien daher bald nach ihrer Entstehung, weil solche Egos meist aufeinandertreffen wie Nuklearteilchen im CERN. Die Radikalität ihrer Mitglieder erweist sich daher häufig eher als Trennungs-, denn als Einigungsgrund. Da helfen auch die größten Ziele nichts: Was dermaßen gleich stark geladen ist, stößt sich meist ab. Was sie unter Umständen doch zusammenhält ist die genannte Angst, die sie sich persönlich nicht eingestehen, mit der sie aber nach außen hin spielen: Sein Traum, so ruft die Stimme eines Unsichtbaren per Mikrofon aus der Menge, sei ein Spanien für Alle (alle Spanier wohlgemerkt). Die sogenannten demokratischen Kräfte hätten Versagt, Spanien sehe sich ernsthaften Bedrohungen gegenüber... Angst. Angst vor Veränderung, vor Verlust, vor der Fremdartigkeit.
Das Weltbild des Faschismus ist ein konservatives. Er lebt vom Glauben an den Status Quo, der aber erst (wieder)hergestellt werden muss. Veränderung ist schlecht, wenn sie nicht auf die Herbeiführung des gewünschten "Gleichgewichtes" abzielt. Ein Europa der Völker wünschen sich die meisten, souveräne Nationalstaaten, Wohlstand für alle, aber jeder für sich. Ausländer weg mehr "eigene" Kinder her. In einer globalisierten Welt sind sie nicht angekommen und sie werden es auch nie. Geschichtliche Zusammenhänge orientieren sich bei Extremisten generell am Weltbild und nicht umgekehrt: Guernica war halb so schlimm, Auschwitz ein Ausrutscher, wenn überhaupt. Zuflucht sucht man in der Autorität, jener des Führers, des Königs oder abstrakter bei Gott und im Volk. Autorität vermittelt Sicherheit, Sicherheit ist das Gegenteil von Angst. Damit Autorität aber wirken kann muss sie allumfassend sein: Jeder muss sich ihr beugen. Autorität hat, wer stark ist. Wer Stark ist braucht sich nicht zu fürchten. Wer Angst hat ist schwach. Schwache stehen außerhalb, sind des Führers nicht würdig, Gottlose, die nicht zum Volk gehören. Die Schwachen an die sich der Faschismus richtet sind nicht schwach, denn sie sind ja viele und viele sind stark. Daraus leitet sich auch das Wort Faschismus ab, Fasces sind Rutenbündel. Jede einzelne Rute kann man brechen, alle gemeinsam nicht: Der Faschismus hat den Anspruch alle einzubeziehen an die er sich richtet. Wer nicht will, an den richtet er sich nicht mehr. Er wird ausgestoßen, hat sein Recht auf Schutz verwirkt, wird schwach gemacht, ausgemerzt, getötet. Die anderen werden uniformiert, in jederlei Hinsicht. Wer Uniform trägt hat Autorität, ist den anderen äußerlich gleich und doch einer Hierarchie unterworfen. Nach 1933 trug in Deutschland noch der letzte Zivilbeamte eine Uniform. Die Männer die auf der Plaza de Oriente vor dem Teatro real, hinter Tischen mit Nazi- und Falangedevotionalien Aufstellung genommen haben tragen grüne Hemden und rot-gelb-rote Armbinden.

Der Faschismus ist exklusiv und inklusiv zugleich. Menschen gegenüber kennt er nur zwei Standpunkte: Du schon. Du nicht. Wer ausgeschlossen ist oder sich selbst ausschließt wird zum Feindbild, zur Projektionsfläche der Angst: "Wir sind zwar stark, aber DIE wollen das nicht." Der Faschismus fürchtet sich de facto vor sich selbst, vor anderen die so sind wie er: Viele, stark, autoritär. Deshalb kennt er Mittel und Wege die Angst in Balance zu halten: Das Volk muss sich fürchten, aber gleichzeitig auch überlegen fühlen. Die anderen wollen zwar ihren Untergang, können ihn aber nicht herbeiführen, weil sie: Rassisch, religiös, moralisch minderwertig sind. Die Bedrohung wird aufrechterhalten und gleichzeitig relativiert. Wie paradox das sein kann zeigt sich am Beispiel Hitlers: In den letzten Kriegstagen vollzog sich bei ihm, so mehrere Beobachter, ein totaler Meinungs- und Stimmungsschwenk. Angesichts der unausweichlichen Niederlage fiel der relativierende Ansatz der faschistischen Angstpropaganda weg:
"Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das deutsche Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das deutsche Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen."

Der Faschist lässt sich nicht vom Gegenteil überzeugen, außer man beweist es ihm konkret durch (Beinahe)ausrottung seines Idols. Solange hält er sein Volk für das Beste und sich für einen Teil einer größeren Sache.

Die spanischen Faschisten folgen dem Ruf ihres Einpeitschers: "¡Arriba España! ¡Viva Cristo Rey!" Die rechten Hände fliegen ausgestreckt zum Himmel. Was man sich bei uns nicht träumen lassen würde ist in Spanien legal und wird deshalb auch gemacht. Man braucht sich ja nicht zu fürchten, zumindest auf dem Platz ist man in der Mehrheit und die Autorität. Nur vier madrilenische Stadtpolizisten verstecken sich hinter einer Hauswand.

Die faschistische Angst offenbart sich in vielen Gestalten:

Der Faschismus ist feige: Er windet sich vor dem Rechtsstaat wie ein Wurm, wenn ihm Strafe droht. Am Ende war immer alles nicht so gemeint, wurde falsch verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen. Der Faschist ist nur stark durch seine eigene Autorität, trifft er auf eine übermächtig stärkere, wirft er sich auf den Rücken und winselt.

Der Faschismus lügt: Er sagt was er denkt nur wenn er nichts zu befürchten hat. Er schleicht sich durch juristische Schlupflöcher, sagt Dinge im Ausland, zieht sich ins Internet zurück. Werden sie öffentlich bekannt folgt die Relativierung: "Wir sind ja gar nicht so, man stellt uns nur so dar." Verbote will man nur aus Gründen der "Meinungsfreiheit" abschaffen. Ein Rechtsstaat brauche sich ja schließlich nicht vor der Wahrheit zu fürchten.

Der Faschismus hasst: Er ist brutal und rücksichtslos. Meist schlägt er im Verborgenen zu, verstohlen, feige. Für ihn ist das ehrenhaft. Er weiß das absolute Recht auf seiner Seite, warum sich an das positive halten? Der Faschist ist stark in der Gruppe, die Mehrheit gibt ihm im Abstrakten und in der Praxis Schutz. Gegner sind Todfeinde und vogelfrei. Erbarmen gibt es - wenn überhaupt - nur für die Angehörigen der eigene Gruppe.

Der Faschismus in überheblich: Er ist in keinster Weise selbstreflexiv und verbittet sich grundsätzlich Kritik, sei sie aus den eigenen Reihen oder von Außen. Kritik an anderen wird dagegen hämisch und untergriffig geführt. Der billige Lacher und der jolende Applaus sind Wegbegleiter des Faschismus. Sein Weltbild ist gefestigt und unantastbar. Daher wird auch die eigene Angst nicht thematisiert sondern tabuisiert.

Der Faschismus ist dumm: Er braucht einen Katalysator und gedeiht nicht auf jedem Untergrund. Angst wächst nur wo sie auf fruchtbaren Boden stößt, in Wirtschaftskrisen, Kriegen, Katastrophen. Während die Demokratie ein langsam gedeihendes Gewächs ist, schießt der Faschismus aus und wird zur Schlingpflanze, verdorrt aber umso schneller. Da es sich um eine Extremistische Ideologie handelt, zieht sie naturgemäß Extremisten an. Extreme Meinungen sind vereinfachte Weltbilder, wer sie pflegt schottet sich ab von der Wirklichkeit. Es sind die Weltbilder der simplen Zusammenhänge und Lösungen. Alles ergibt sich aus Kausalzusammenhängen, es gibt nur Schuld und Unschuld, keine Graustufen, keine fließenden Grenzen. Sie kennen nur Holzhammermethoden und Amputationen, langsam wirkende und komplizierte Medizin liegt ihnen nicht. Kleingeistige Weltbilder dienen kleinherzigen Menschen. Bildung schützt vor dem faschistischen Virus nicht, Bildungschauvinismus macht dafür geradezu anfällig. Wer dem Punkteprogramm auf der neuen Homepage der Burschenschaft Olympia folgt erkennt das.

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Antoine de Saint-Exupéry

Dienstag, 17. November 2009

Mitzi Fekter Homos Lupus... oder: Wie modern ist die ÖVP?

"Das ist in der ÖVP nicht Mehrheitsfähig." Ein Satz, ein Todesurteil. Seit die Österreichische Volkspartei erkannt hat, dass die Tatsache, dass die Sozialdemokratie den parlamentarischen Faschismus in Österreich nicht als koalitionsfähig ansieht, ihr zu dem Vorteil gereicht deren einziger potenzieller Mehrheitsbeschaffer und damit Koalitionspartner zu sein (teils auch bedingt durch die politische Hyposomie der heimischen Grünen) und im Gegensatz zu dieser aber auch Alternativen zu besitzen, seit dem kann die demokratische Neuauflage der Vaterländischen Front jedes Vorhaben im Ansatz ersticken, das Österreich zu einem moderneren, weltoffeneren Staat machen könnte. Jene die jetzt einwenden die ÖVP habe zumindest in Sachen Gesamtschule einen Kurswechsel vollzogen, möchte ich daran erinnern dass es nicht die ÖVP war die in Österreich Schüler- und Lehrlingsfreifahrt, Schulbuchaktion, freien Hochschulzugang, Wahlgerechtigkeit, Mutter-Kind-Pass und Fristenlösung eingeführt hat. Auch, dass sie, obgleich sie sich heute gerne weltgewandt und offen zeigt, den Bau der UNO-City und des Austria-Centers in Wien bekämpft hat soll nicht unerwähnt bleiben. Auch ist seit Otto Glöckel, der nicht nur erste durchgreifende Reformen (Koedukation, demokratische Erziehung, Schülerselbstverwaltung, Individualpsychologie als Faktor im Schulwesen) im österreichischen Schulsystem durchgeführt hat, sondern auch durch das austrofaschistische System zu Tode kam, in Österreich keine wesentliche Bildungsreform mehr durchgeführt worden. Was die ÖVP unter Modernisierung versteht hat meistens etwas mit Privatisierung oder der Stimmabgabe über das Internet zu tun.
Nun ist dieser fatale Satz wieder gefallen, aus dem Mund von Maria Fekter Herrin von der Kiesgrube. Sie hat, obwohl keine Tirolerin, die Führung des konservativen Flügels - obwohl das eher als Tautologie erscheint - innerhalb der ÖVP übernommen und postuliert seitdem die vier modernen K's des christlich-sozialen "Wertekonservativismus":

- Kreuze in den Klassen
- Keine Homoehe
- Keine Gesamtschule
- Keine Zogajs

(Auch wenn die ÖVP seinerzeit gegen die Strafrechtsreform - das alte StG kannte nicht nur den "schweren Kerker" bei "Wasser und Brot", sondern auch das Vergehen der "Ehestörung" und stellte Homosexualität unter Strafe- wegen der darin enthaltenen Fristenlösung ablehnte und sogar ihr mickriges Bundesratsveto dagegen mobilisierte, hat sie das fünfte K - "Keine Abtreibung" - mittlerweile eingemottet.)

Besagte Frau Fekter hat es verhindert, dass gleichgeschlechtlich orientierte Paare sich in Österreich am Standesamt "partnerschaften" können, von heiraten ganz zu schweigen. Als staatsrechtlich interessierter Mensch fragt man sich natürlich, was für eine - mit Sicherheit intendierte - abwertende Wirkung es haben soll, wenn eine Zeremonie nicht in die Kompetenz der Gemeinden (wie die standesamtliche Hochzeit) sondern in die des nächsthöheren Verwaltungsverbandes, des Bezirkes fällt. Wahrscheinlich war Frau Fekter nur von der Angst geleitet, Heteros und Homos könnten sich in den Fluren der österreichischen Standesämter begegnen und Letztere Erstere gar kurz vor der Hochzeit "umpolen". Eventuell empfindet sie gewissen Menschen auch einfach nur als wandelnde visuelle Beleidigung (Was mag sie nur von schwulen Asylanten halten?). Auch wenn es sich vielleicht noch nicht in die oberösterreichischen Beichtstühle durchgesprochen hat, dass sexuelle Affiktion die auf gegenseitigem Einverständnis beruht keine Krankheit ist, so hätte man doch erwarten können, dass eine Partei, die sich immer gerne als die des Steuerzahlers präsentiert, einsieht, dass die Delegation von artverwandten Verwaltungsangelegenheiten in den Aufgabenbereich verschiedener Behörden zumindest als finanziell unvernünftig bezeichnet werden kann. Um das Ganze neue Gesetzeswerk auch vom menschlichen Standpunkt aus verständlicher darzustellen, folgendes Fallbeispiel:

Ein lesbisches Paar entschließt sich ein Kind zu haben. Eine Partnerin unterzieht sich einer künstlichen Befruchtung, gebiert ein Kind und zieht dies gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin auf. Nach ein paar Jahren stirbt die leibliche Mutter, das Kind muss in ein Pflegeheim, weil ihm zwar zugemutet werden kann von zwei Homos aufgezogen zu werden, aber nicht von einer.

Die Perversität dieses Eingriffes in das Kindesleben, das mit einem Schlag die beiden wichtigsten, vielleicht einzigen, Bezugsquellen in seinem Leben verliert, kann man sich gar nicht ausmalen. Da es in Zukunft wohl auch die Grundrechtsbeschwerde über Kinderrechte in der Verfassung geben wird, kann ich mir nicht vorstellen, vor welchem verfassungsgerichtlichen Hofrat eine Beschwerde gegen einen solchen Kindesentzug kein Gehör finden würde.
Es soll mir jemand, der sich wertverbunden nennt erklären, warum das Kindswohl in Österreich plötzlich hinter der katholischen Weltanschauung firmiert. Es soll mir Josef Pröll, der sich als Vorsitzender der "ÖVP-Perspektivengruppe" noch für das Standesamt ausgesprochen hatte erklären, warum päpstliche Enzykliken schwerer wiegen als die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Tatsächlich wird hier Gleiches ungleich behandelt, eine Handhabung die einem modernen Rechtsstaat nicht würdig ist. Warum hält eine Partei ihre religiösen Anschauungen - fraglich ob eine Partei solche überhaupt haben sollte - höher als das Menschenrecht? Ich persönlich halte staatliche Eingriffe in die Gleichheit aller Menschen nur für legitim, wenn diese vom Standpunkt des Schutzes des Einzelnen und der Gesellschaft als unbedingt notwendig erscheinen. Ist es unbedingt notwendig Homosexuellen den Zutritt zu den Standesämtern dieser Republik zu verwehren? Ist es notwendig aus gesellschaftspolitischen Erwägungen einem Kind die Mutter und einer Mutter das Kind zu nehmen? Wer tatsächlich glaubt die österreichische Gesellschaft würde morgen erodieren, weil Homosexualität eine Krankheit ist, mit der man Menschen anstecken kann und die die Familie zerstört, der sollte einen Psychiater aufsuchen und sich wegen Paranoia behandeln lassen. Familien werden durch fremdvögelnde Väter zerstört, durch Mütter die ihre Säuglinge im Papiercontainer entsorgen und Eltern die ihre Kinder schlagen und missbrauchen. Angesichts dessen, dass weite Teile der Bevölkerung gescheit genug zum f*cken aber zu blöd zum verhüten sind, halte ich es für unverantwortlich Menschen - die bereit wären Kindeserziehung zu übernehmen - aufgrund ihrer Sexualität zu diskriminieren.
Auf die Fahne der Österreichischen Volkspartei passen viele Wörter, "modern" gehört aber sicher nicht dazu.

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"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen."

Freitag, 13. November 2009

Manchmal und das ist häufig der Fall...

... passiert es, dass ich mich maßlos aufrege. Man möchte meinen als angehender Politikwissenschaftler hat man alles gehört und gelesen was nennenswerte Aufregung verursachen könnte: Vom stillen Völkermord in irgendeinem gottverlassenen Drittweltland, das nicht nur Amerikaner nicht auf der Weltkarte finden, über geldgierige Beamte und Politiker die sich Amtsmissbrauch mit lukrativen Beraterjobs in der Privatwirtschaft entlohnen lassen bis hin zu Menschen die für Brosamen ihr Land verraten. Aber wie gesagt, hin und wieder sind relative Kleinigkeiten in der Lage mich in Rage zu versetzen. Leute die mich kennen würden einwenden, dass das nicht gerade schwer ist, ich lasse das Argument diesmal aber deshalb nicht gelten, weil es sich in diesem Fall um eine Materie handelt die nicht nur mich zur Weißglut treibt:
Die UnibesetzerInnen/Audima(r)xistInnen.

Eine leidige Diskussion möchte man meinen, aber dieses Konglomerat an Weltanschauungsdivergenzen und politischer Logoröh ist an bodenloser Dummheit, Ignoranz und Überheblichkeit kaum mehr zu unter-/überbieten. Um die überwallenden Informationslage anschaulich darzustellen, seien hier nur einige Beispiele aufgeführt:

- Im Auditorium Maximum zu Vindobona, so vernimmt man allenthalben, hat die basisdemokratische Wurstelgemeinschaft, an der teilzunehmen von Gottfried Küssel bis Ute Bock jeder willkommen ist, beschlossen einen Lesbigenderlinkenfrauenblock einzurichten um der angeblich ausufernden Sexualübergriffe im heimischen Hochschulwesen Herr - pardon - Mensch zu werden. Abgesehen von gelegentlichen Berichten die die Zudringlichkeiten eines gewissen Professors mit norwegischem Vornamen betreffen, der Studentinnen (diesmal mit kleinem "i") mit hübscher Larve, die auch nur eine Unterschrift von ihm brauchen zu allerlei Tet-a-tets einlädt, ist mir dererlei jedoch bisher noch nicht zu Ohren gekommen. Sei es wie es sei, die Mähr geht, dass Träger eines Y-Chromosoms mitunter gewaltsam aus diesem Vulvarefugium vertrieben werden um die Herr-/Frauschaft des Östrogens zu sichern. Zwar nicht medial belegt, aber mittlerweile von etlichen Quellen vernommen.

-Bei diversen Diskussionsveranstaltungen, die der Oesterreichische RundFunk netterweise im Spätprogramm überträgt, weil ja nachmittags auf dem ersten Programm niemand verpassen darf ob Anna ihren Jan oder Jens doch noch bekommt und am Zweiten Frau Hermi aus Oberpullendorf der grotesk lächelnden Lissi Engstler erzählen muss warum sie von Kren Flatulenz bekommt und das Internet furchtbar findet, bemüßigen sich Studenten aller politischen Spektren jegliche Art von Verbaldurchfall von sich zu geben die einem nur einfallen kann:

--> Eine Jusstudentin, flankiert von einem uns allen wohlbekannter Ägyptoaustrianer im Polohemd, bezweifelt, dass Studenten überhaupt Steuern bezahlen und hat offensichtlich noch nicht mitbekommen, dass trotz des Scheiterns der zusätzlichen Abgabenerhebung auf Wachteleier, in Österreich auf Waren und Dienstleistungen noch immer Mehrwertsteuer eingetrieben wird. Studenten die nur von der Liebe leben sind meines Wissens nach nicht mehr aufgetaucht, seit Franz Antel (Friede seiner Asche) aus dem Filmgeschäft ausgestiegen ist.

--> Dafür lässt eine Audimaxemissärin im Gegenzug durchblicken, dass sie Besteuerung generell für Schwachsinnig hält und kann sich eigentlich gleich bei der Nationalen Volkspartei einschreiben lassen die sicher ähnliches im Sinn hat und sich auch gerne über den „Zinswucher“ beklagt.

--> Selbige Dame schwärmt auch gleichzeitig von den Vorzügen der „Volksküche“. Ein etwas befremdlicher Terminus für eine Verköstigungseinrichtung deren lukullische Höchstleistung sich auf Kartoffeln, Bohnen und Zwiebeln beschränkt, zumal dort auch etliche jener Leute essen dürften die sich bemüßigt gefühlt haben just am 26. Oktober eine „Still not loving Austria“-Demo abzuhalten in der sie die Abschaffung des österreichischen Staates – von dem sie sonst mehr Geld für alles wollen - nebst assoziierter Nation gefordert und sich selbst inbrünstig als „Volksverräter“ tituliert haben. Solche Forderungen hat man seit den Märztagen des Jahres 1938 hierzulande nur noch selten vernommen. Die genannte „VoKü“ bietet Speis und Trank für jeden der bereit ist das Risiko dort zu essen einzugehen oder der bereits einschlägige Esserfahrung in einem Arbeiter- und Bauernparadies gesammelt hat.

--> Die Anwesenheit einer gewissen Tirolerin (der Herrgott hat ihnen vermutlich diesen Dialekt gegeben damit sich die Worte „Kchommunismus ischt schuper!“ möglichst bescheuert anhören) die sich in der ÖH-Bundesvertretung engagiert, soll hier auch nicht verschwiegen werden: Nebst Unizugang für alle (das schließt vermutlich auch die Zogajs ein) und Unis ohne Prüfungen schließt sich auch eine Förderung von 100.000 € für die Besetzung einer Bildungseinrichtung in den Forderungs- und Aktionsplan dieser Vertretung ein.


- Es soll auch nicht unerwähnt bleiben welche materiellen Auswirkungen die Unibesetzung auf die Infrastruktur des Universitätshauptgebäudes hat. Nebst allerlei kreativen Verschönerungsmaßnahmen auf erst kürzlich renovierten Wänden und dem demolieren von WC-Türen (Wie schafft man es bitte eine Tür gänzlich in zwei Teile zu zerbrechen?) durfte ich auch, gemeinsam mit einem Studienkollegen, Zeuge werden wie nicht nur das Klopapier auf den hochschulischen Sanitäreinrichtungen zur Neige ging, sondern sich Studierende auch mit ihren Fäkalien künstlerisch verwirklicht haben (eine Aktion die wahrscheinlich sogar Hermann Nitsch grauslich finden würde).

Abschließend bleibt zu sagen, dass die jetzige Kontroverse nichts anderes ist als ein Sittenbild unserer Gesellschaft und des politischen Systems in dieser Republik:

Probleme werden so lange außer Acht gelassen bis sie lästig genug werden. Je jünger die Teilnehmer desto extremer die Ansichten und Kompromisse sind aus vielerlei Gründen tatsächlich nicht mehr möglich. Ein Budget, das seit Jahren nicht mehr ausgeglichen ist und das heuer wieder eine Neuverschuldung von schätzomativ mehr als 4,5% BIP verursachen wird, in einem Land in dem sich das Innenministerium für seine Polizisten keine Handschuhe für den Winter leisten kann, in dem per Budgetbegleitgesetz die Geschworenengerichtsbarkeit drastisch eingeschränkt wird weil man sich Einsparungen erhofft und in dem Lehrer neuerdings aus Mittelmangel ihre Kreide selber kaufen müssen, wird für eine Universitätsreform die eine tatsächliche Reform ist und die wohl mehrere hundert Millionen bis Milliarden Euro kosten wird, budgetär nicht einmal die geringste Chance auf Umsetzung bestehen. Die naive Frage, warum denn für die Banken Geld da sei verweise ich auf folgende Feststellung: Wenn man die Wahl hat zwischen einer gigantischen Neuverschuldung und dem Totalzusammenbruch des Wirtschaftssystems, hat man eigentlich keine Wahl, während ein Bildungssystem nur langsam und nicht ad hoc vor die Hunde geht.

Vom politischen Willen zur Reform brauchten wir eigentlich gar nicht erst zu reden: Zwischen den AG-Vertretern die ihren Kragen nur für das offizielle Homepagefoto runterklappen und ansonsten aussehen als hätte die ÖVP eine Klonfabrik für schmierige Parteikader eröffnet und der ewig vormorgigen Linken die sich vor lauter gesellschaftspolitischer Reformbegeisterung kaum auf das Machbare zu konzentrieren vermag hat sich mittlerweile ein größerer Graben gebildet als zwischen Israelis und Palästinensern. Traurig, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Nordkorea einen Demokratie- und der Iran einen Simeon-Wiesenthal-Kongress abhält höher ist, als dass sich die Österreichische Hochschülerschaft auf eine einheitliche Linie in ihren bildungspolitischen Forderungen einigt. Solange glattgegelte , machtgeile, zynische Kragenaufsteller und weltfremde, staatshassende, marxistische KokabauernunterstützerInnen das Sagen haben wird wohl kein Platz sein für die Wesentlichen Erkenntnisse:

--> Johannes Hahn ist ein unfähiger, uneinsichtiger Möchtegernakademiker der vor Arroganz nur so sprüht und um keinen Deut besser ist als seine infernale Vorgängerin, die Mutter aller Bildungskatastrophen, Elisabeth Gehrer.

--> Der Staat hat kein Geld, hat kein Geld, hat kein Geld.

--> Das Mögliche geht dem Wünschenswerten vor, das heißt im Vordergrund muss die Rücknahme der Universitätsgesetznovelle von Gehrer und die Redemokratisierung der Universitäten stehen. Geld, das über eine bloße Geste hinausgeht (Wer lacht mit mir gemeinsam über 34 Mio. € aus dem Notbudget?), wird es auf absehbare Zeit nicht geben (können).

--> Die Audimaxbesetzung hat das Thema erst auf die Agenda gebracht, das ist wahr, mittlerweile stehen die verursachten Kosten (Hat wer eine Ahnung was die Miete im Austria Center kostet?!) in keinem Verhältnis mehr zum politischen Gewinn der daraus zu ziehen ist. Strategisch gesehen sollten sich die Okkupanten beeilen noch ohne Gesichtsverlust die Sache zu beenden bevor es die Weihnachtsferien tun. Sogar ein Marxist kann es sich nicht erlauben seine katholische Großmutter am Heiligabend zu versetzen und das Auditorium dauerhaft nur mit der Klientel der Gruft hinter der Mariahilferkirche zu besetzen, halte ich nicht nur aus olfaktorischen Gründen für unratsam. Zudem hat die Besetzerschaft mittlerweile eine Dichte erreicht die es sogar dem RFS oder der Bevölkerung der Westsahara erlaubt ihr basisdemokratisches Prinzip ad absurdum zu führen.

So das wars, Seelenbeichte beendet, man verzeihe die Länge, etwaige Rechtschreibfehler, aber nicht die Radikalität.