Dienstag, 24. April 2012

Zum Teufel mit den Abwehrkräften, oder: wider die dämliche Fernsehwerbung

Wenn ich Fernsehsendungen mit Werbeunterbrechungen schaue, schalte ich in den Pausen meistens einfach nur den Ton ab. So verpasst man nix, wenn's weitergeht und man kann derweil was lesen oder so. Das bringt aber auch mit sich, dass man - wenn auch lautlos - die jeweils neuesten Werbemonstrositäten quasi aus dem Augenwinkel mitbekommt. Und manchmal, wenn ich so selbstvergessen vor mich hinglotze, kommt es sogar vor, dass ich halbbewusst Werbung mit Ton anschaue, was sich oft als schwerer Fehler entpuppt...

Manche Werbungen richten sich ja von selbst, zum Beispiel die Eigenreklame von ORF 1 - der jetzt neuerdings ORF eins heißt, weil das die lesefaule Jugend angeblich mehr anspricht - in der Mirjam Weichselbraun allen Ernstes Schnellschach spielt. Demnächst moderiert wahrscheinlich noch Lizzi Engstler ein Wissenschaftsmagazin oder Herbert Prohaska das Grammatikrodeo. Aber wenigstens ist die ORF-Werbung kurz und schmerzlos, nicht so wie die Terrorreklame, bei der man als geistig gesunder Mensch umschalten muss, um sich nicht der Gefahr einer Hirnblutung auszusetzen.

Da wären zum Beispiel die Fernsehspots der Bekleidungsfirma KIK - bekannt durch ihre Hakenkreuzkleiderständer und den warmherzigen Umgang mit dem Personal - in der ein rotes T-Shirt mit einem norddeutschen Kreischorgan auf Helium von der bekanntlich ebenfalls zartstimmigen Verona - ich muss jetzt wieder Geld verdienen, weil mein Mann pleite gemacht hat - Pooth tatkräftig beim Merchandising für feinste Kinderarbeit aus Fernost unterstützt wird. Eine Zeit lang trat zur akustischen Unterstützung noch ein Folgetonhorn, visuell untermalt mit einem Blaulicht, hinzu, dessen Betrachtung allein bei mir schon Herzrasen verursacht hat. Kurz: Das ganze Werbesujet scheint den, von der Ex-Feldbusch in koketter Anspielung auf ihre Grammatikschwäche in die Linse geträllerten Spruch „KIK ist eben doch besser als wie man denkt!“ wiederlegen zu wollen. Es manifestiert sich damit letztlich die Überzeugung, dass günstig und billig eben doch zwei grundverschiedene Dinge sind.

Das gilt auch für die Werbungen, die die XXXLutz-Discounttochter Möbelix im Fernsehen schaltet. Dort tritt der offenbar von lahmen Nordkoreanern mit grauem Star animierte „Möbelixman“ gegen die einzigen Gegner an, denen er gewachsen ist: Nullen. Begleitet wird das Ganze von einer Off-Stimme, die in holprigen Stabreimen - jeder lobotomierte Südsteirer, der einen Schlag aufs Sprachzentrum bekommen hat, könnte besser dichten - die Ruhmestaten des Verteidigers von Furnier-Spanholzkästen und Einbauküchen ohne Spülmaschine preist. Ich gebe gerne zu, dass ich bei jedem neuen Abenteuer des Einrichtungshausheroen reflexartig den Sender wechsle.

Neben nervenzerrüttender Penetranz ist „für dumm verkaufen“ die zweite große Schiene der Fernsehwerbung. Besonders geeignet hiefür sind offenbar Hausfrauen und Kinder, wobei man letztere recht einfach mit buntem Zucker ober Blingbling-Spielzeug ködern kann. Für das Heimchen am Herd, so denkt scheinbar die Werbeindustrie, muss es dann aber schon etwas Anspruchsvolleres sein. Das Schlagwort heißt: Wohlfühlwerbung. Eine Endzwanzigerin - blond - mit Ehemann - brünett - und zwei Kindern - Sohn, 6 Jahre, blond; Tochter, 11 Jahre, brünett - kocht in ihrer Designerküche im Neubauhaus ein Fertiggericht, das allen schmeckt. Die Szene lässt sich natürlich auch beliebig variieren: Manchmal darf auch der Mann kochen - aber nur, wenn das Produkt als besonders einfach zubereitbar angepriesen werden soll - oder die Tochter ist ein handysüchtige Teenagerin, die man nur mit dem guten Glutamat-Pressfleisch aus Muttis Mikrowelle aus ihrer stereotypen Telefonierhaltung - mit angewinkelten Beinen auf dem Bett liegend, in der einen Hand das Handy, mit der anderen eine Haarlocke drehend - befreien kann.
Dann gibts da natürlich noch den Klassiker schlechthin, die „zufällige“ Kundenbefragung am Straßenrand („Ja das kenn ich!“ oder „Würde ich jederzeit wiederkaufen!“) und die „glaubwürdige Freundin/Hausfrau/Mutter“:
„Mutti, kennst du das auch... Blähungen?“
fragt etwa eine Mittvierzigerin beim Spazierengehen mit ihrer zehn Jahre älteren Fernsehmutter und greift sich dabei auf den Bauch. Eine berechtigte Frage, wenn ihre Frau Mama in vierzig Jahren noch nie vor ihr von Flatulenz geplagt wurde, vor allem aber auch, wenn man ein gesüßtes Standardjoghurt gerne teuer als „functional food“ verkaufen möchte. Nachdem die Leute mittlerweile aber draufgekommen sind, dass der Satz „...wurde beim Gesundheitsministerium eingereicht und amtlich bestätigt.“ nur heißt, dass die betreffende Studie einen Posteingangsstempel erhalten hat, sucht man nach neuen Verarschungsmöglichkeiten. Auch weil alle wirklich wissenschaftlichen Studien Sätze wie „Stärkt ihre Abwehrkräfte!“ oder „Schützt ihre Darmflora!“ Lügen gestraft haben, lässt man jetzt lieber eine semiprominente ORF-Nachmittagsklatschtante mit dem Becken eines ausgewachsenen Berggorillas Sprüche wie „Mir hilfts's!“ oder „Mir tut's gut!“ sagen. Aber zugegeben: Die Idee mit einem abgehalfterten Talkshow-Gehsteigpanzer Werbung für ein entschlackendes Joghurt machen zu wollen, reicht in ihrer Absurdität schon fast an die schachspielende Mirjam Weichselbraun heran. In Sachen Wirksamkeit lassen sich all diese Produkte jedenfalls in eine Reihe mit dem Wasser stellen, das von sich behauptet soundso vielmal mehr Sauerstoff beigesetzt bekommen zu haben. Wofür soll das gut sein? Muss man dann weniger atmen? Es ist auch bezeichnend genung, dass die Firma Danone gegen die AMA-Werbung „Jedes Joghurt stärkt ihre Abwehrkräfte!“ eine Unterlassungsklage eingebracht hat.

Sehr gefragt für den Verkauf von Gesundheitsnippes sind natürlich auch nach wie vor Frauen, die mit einem leidenden Veronika-Ferres-Blick in die Kamera schmachten können und sich dabei an Bauch, Kopf oder Backe fassen, um Wohlfühldrinks, Aspirin oder schmelzschützende Zahnpasta an den Mann zu bringen. Seit Ärzte keine Werbung mehr machen dürfen, werde in dieser Sparte auch gerne „Zahnarztfrauen“ oder „Wissenschafter“ aus der hauseigenen Forschungsabteilung aufgeboten, um den Zuschauer von der Wirkung des Produkts zu überzeugen. Ein seriös wirkender älterer Herr mit Brille und einem Doktortitel von der Boris-Jelzin-Internetuniversität hat da gleich einen positiven Effekt auf das dauerkritische Publikum und ein weißer Kittel erhöht das Konsumentenvertrauen schließlich exorbitant. Das ganze Heile-Welt-Brimborium rund um „Entfernt zehnmal mehr Plaque!“ und „Schützt 24 Stunden wirksam vor...!“ ist dabei an biederer Spießigkeit kaum zu übertreffen. Fader sind höchstens noch die Spots der österreichischen Lotterien, die seit gefühlten 1000 Jahren mit den gleichen Schweinen auf Geldsäcken und Bauarbeitern mit herausspringenden Augen Doppeljackpots und Rubbellose bewerben.

Unterste Schublade wiederum sind Werbungen mit toten Promis, wobei die Geschmacklosigkeit mit der Kürze des Verstorbenseins zunimmt. Wenn Saturn alte Sissi und Franz Klischees auspackt, ist das also noch lange nicht so übel, wie die Tatsache, dass ein Falco-Imitator jetzt im Radio Käse verkauft. Dass dieselbe Firma ihr Produkt gleichzeitig im Fernsehen mit „I am from Austria“ als besonders heimatverbunden vermarktet, beweist, dass zuweilen auch lebende Promis wie Reinhard Fendrich offenbar freiwillig für einen Werbevertrag ihr künstlerisches Lebenswerk der Verramschung von verfaulter Milch opfern. Den Preis für den absoluten Tiefpunkt in dieser Rubrik hat aber wohl doch Wolfgang Ambros für sein Lied aufs „Hartl Haus“ verdient. Dabei wäre er ein wesentlich glaubwürdigerer Werbeträger für Smirnoff.

Aber natürlich gibt's auch gute Werbung, ich geb’s ja zu. Über den bipolaren Ehebrecherspot von IKEA habe ich mich zum Beispiel genauso amüsiert wie über die Kinderfreundlichkeit von Mömax. Und wenn es sogar die deutsche Bildzeitung fertig bringt, eine einigermaßen amüsante Kampagne zu starten, dann kann man das doch wohl auch von Waschmittel-, Joghurt-, und Süßigkeitenherstellern verlangen. Etwas mehr Kreativität wenn ich bitten darf!

Montag, 16. April 2012

Gegrüßet sei Moroni, oder: auf der Suche nach der wahren Religion

Jesus, Mohammed, Buddha und Shiva
Zwei Dinge haben mich im Wesentlichen daran gehindert in den letzten Wochen hier so regelmäßig Stuss zu publizieren, wie ich das gewöhnt bin: Arbeit und Urlaub. Weil ich vom einen weniger, vom anderen aber dafür umso mehr gebrauchen konnte, habe ich mich an dieser Stelle - schweren Herzens aber doch - zurücknehmen müssen. Hier bin ich nun aber wieder und beleidige Ihre Intellekt mit den gewohnten hohlen Phrasen, mutwilligen Unterstellungen und meiner grassierenden Legasthenie:

Der ausgeprägte menschliche Psychomasochismus und das darin manifestierte Bedürfnis nach Größerem haben eine unüberschaubare Zahl an Religionen, Glaubensrichtungen und Lehren hervorgebracht, die zwar allesamt nicht beweisbar sind, aber um die es sich umso besser streiten lässt. Die Religionen haben in diesem Sinne schon recht viele Leute nachweislich ins Grab, aber nur mutmaßlich einige von denen auch in den Himmel gebracht. Wir werden uns aber heute nicht mit so mühsamen Dingen wie Trinität vs. Arianismus, Schia gegen Sunna oder Transsubstantionslehre contra Realpräsenz einlassen. Nein, wir beschäftigen uns mit den wenigen spaßigen Seiten der Religion, soll heißen mit jenen Aspekten, die derart absurd sind, dass die letzte bigotte Waldviertlerin noch ungläubig den Kopf schütteln würde: Wir suchen im Gewirr der Weltanschauungen die einzig wahre Religion.

Da gibt es zum Beispiel die allseits bekannte Bewegung der Schweizerin Erika Bertschinger-Eicke, die sich „Uriella“ - leicht zu verwechseln mit einem ähnlich heißenden Emanzipationsprodukt - nennt. Ihre Heilsgeschichte begann sehr passend mit einer schweren Kopfverletzung, die sie sich beim Reiten zugezogen hatte. Zu Weihnachten 1975 erschien dann der stets weiß gekleideten und dezent geschminkten Frau schließlich Jesus - weil das ja auch sein Geburtstag ist - und offenbarte ihr so einiges, das sie in der Folge beflissentlich an ihr Spinnerklientel - konzentriert in dem von ihr gegründeten Orden „Fiat Lux“ - weitergab. Unter anderem wurde der Strich-Code als teuflich verflucht und auf allen Produkten mit einem Kreuzpickerl überklebt. Gerne lud die wahnsinnige Sektemutter auch in ihrer Badewanne Wasser mit dem sogenannten „Athrumstrahl“ auf, woraufhin es deutsche Gesundheitsbehörden wegen Verkeimung für ungenießbar erklärten. Ihr Göttergatte, der sich selbst „Incordo“ nennt und zur Erheiterung der Glaubensgeschwister auch gerne als „Mr. Tomatoe“ in einem Paradeiserkostüm herumhüpft, hat mittlerweile die Führung der stark dezimierten Gruppe übernommen, nachdem seine wegen Zoll- und Steuerhinterziehung vorbestrafte Frau schwer krebskrank ist und nach Informationen von Aussteigern im Sterben liegt. Dennoch beharrt „Incordo“ darauf, dass Uriella die Erfüllung ihrer Prophezeiungen - die Mitglieder von „Fiat Lux“ werden durch Raumschiffe gerettet, während die Erde untergeht und gereinigt wird - noch selbst erleben wird. Wer sich für weitere spannende Theorien der grenzdebilen Gotteskinder interessiert, sollte sich ihr einschlägiges Werbevideo zu Gemüte führen.

Wer andererseits gern seinen Ehepartner vom Sektenführer persönlich ausgesucht bekommt, sollte sich überlegen der „Vereinigungskirche“ von Sun Myung Moon beizutreten. Dieser lässt sich als Messias und gemeinsam mit seiner Frau als „Wahre Eltern“ verehren. Addiert man ihre 14 Kinder hinzu, ergibt das - richtig geraten - die „Wahre Familie“. Moon kontrolliert nicht nur die Washington Times und den Sushi-Handel in den USA, sondern verfügte auch über blendende Beziehungen zum Nordkoreanischen Diktator Kim Il Sung und etlichen anderen Staatsmännern. Wer sich gerne vor einem Altar mit Moons Bild verneigen möchte, findet im Hause des zweiten Messias - einem dem Kapitol ähnlichen Gebäude auf einem Berg in Südkorea - sicherlich geneigte Aufnahme.

Etwas älter, aber mindestens so verschroben sind die Mormonen. Deren Prophet Joseph Smith erschien 1820 der Engel Moroni - von dem bis dahin noch niemand gehört hatte - und offenbarte sich ihm. Schließlich führte er Smith zu einer Stelle an der er Goldplatten und Sehersteine fand, mit deren Hilfe er die ihm unbekannte Schrift auf den Platten übersetzen konnte. Es stellte sich heraus, dass die amerikanischen Ureinwohner in Wahrheit Angehörige verschollener Stämme Israels waren, deren Haut als Strafe Gottes dunkel gefärbt worden war. Smith gründete die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage" und fantasierte weiter munter vor sich hin, bis er schließlich von einem aufgebrachten Mob gelyncht wurde. Das an und für sich beste Glaubensargument seiner Gruppe, die von etlichen Mormonen anfänglich praktizierte Vielweiberei, fiel jedoch später dem Pragmatismus seiner Nachfolger zum Opfer. Als Die USA das Ende der Polygamie zur Bedingung für die Aufnahme Utahs als vollwertiger Staat in die Union machten, hatte der amtierende Kirchenpräsident glücklicherweise eine Vision, die ebenselbes vorsah. Seit dem sind die Mormonen nur noch als biedere Anzugträger bekannt, die nach Deutsch-Crash-Kursen am heimatlichen Salzsee nach Europa geschickt werden um "mit Ihnän uber Gott su spräcken". Wenn Sie aber Wert darauf legen, dass auch Ihre verstorbenen Verwandten ewiges Seelenheil erfahren und auf einem fernen Planeten als Götter wandeln können, dann ist ein Beitritt zum Mormonentum, das die sogenannte Totentaufe gern auch an Opfern des Holocaust wie Anne Frank vornimmt, durchaus überlegenswert.

Sollte Ihnen aber das alles nicht zusagen, bleibt Ihnen nur noch der Eintritt in das "Königreich des Himmels" oder "Kerajaan Langit", wie Ariffin Mohammed die von ihm in Malaysia gegründete religiöse Bewegung nennt. Er hat den theosophischen Synkretismus auf die Spitze getrieben und lässt sich von seinen Anhängern als Inkarnation von Jesus, Mohammed, Buddha und Shiva verehren. Damit sich auch Schiiten nicht ausgeschlossen fühlen, gilt er gleichzeitig noch als der Zwölfte Imam und wird - um dem ganzen Inkarnationssammelsurium ein schönes Überdach zu geben - als "König der Himmel" bezeichnet. Der Sektenführer - auch Ayah Pin, "Vater Pin" genannt - ließ sich besonders gerne in einem Betonboot verehren und hat auch sonst einen ausgefallenen Geschmack, was religiöse Symbolik betrifft: Auf dem Gelände seiner Bewegung standen neben einem überdimensionalen gelben Sonnenschirm, unter dem man Zuflucht bei Gott nehmen konnte, auch eine gigantische blaue Vase und ein riesiger cremefarbener Teekessel, aus denen heiliges Wasser floss. Weil in Malaysia aber zum Teil die Scharia gilt und sich die örtlichen Behörden nicht von der Wiederkehr des Propheten oder des Mahdi überzeugen lassen wollten, wurden die drei heiligen Gegenstände auf Anweisung der Regierung 2005 zerstört. Sollte Sie das jedoch nicht abschrecken, finden sie die verbliebenen 24 Mitglieder der Gruppe und ihren neuen Führer, einen ausrangierten Polizisten, im thailändischen Exil.