Freitag, 18. Mai 2012

Die Salzburger, oder: the missing link

Wie eine Klammer legen sich fünf Gaue und eine Stadt um den Landkreis Berchtesgadener Land, den man in Österreich besser unter dem Namen „deutsches Eck“ kennt. Das umliegende Gebiet, das irgendwie an eine adipöse Version des Mercedes-Logos erinnert und das in seiner Hymne etwas pathetisch als „Garten behütet vom ew'gem Schnee“ bezeichnet wird, heißt wie seine Hauptstadt Salzburg.

Nach dem Burgenland ist Salzburg die historisch jüngste Region Österreichs. Es kam erst mit der Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluss 1806 an die Habsburger. Später fiel es während der Koalitionskriege vorübergehend an die Bayern, kam zurück zu Österreich und wurde Teil des Erzherzogtums ob der Enns - aka Oberösterreich -, um 1850 wieder als Kronland und eigenständiges Herzogtum errichtet zu werden. Die lange Unabhängigkeit des Fürsterzbistums Salzburg, beziehungsweise dessen Eigenschaft als Pufferstaat zwischen Bayern und Österreich macht die Salzburger damit bis heute zu einer Art „Homo habilis“, zum „missing link“ zwischen Bajuwaren und Austriaken.

In der Stadt Salzburg selbst hat sich das Germanische schon schrecklich breit gemacht. Überall wird hemmungslos Hochdeutsch gesprochen und Champagner getrunken. Die ganze Agglomeration ist wie eine Retorte der Inneren Stadt zu Wien, nur teurer. Das erklärt auch, warum der Tourismusort Salzburg so ungeheuer lukrativ ist. In der Getreidegasse und an den Originalschauplätzen des Films „Sound of Music“ werden Japaner und Amerikaner wie die Mastgänse ausgenommen. Und auf dem Domplatz muss das deutsche Publikum beim jährlichen „Jedermann“ dran glauben. Mit dem millionenfach breitgewalzten und ausgequetschten Thema Mozart wiederum, lässt sich auch ganzjährig Zaster machen.

Dass die Salzburger noch auf der evolutionären Leiter zum vollwertigen Österreicher feststecken, beweist auch die Tatsache, dass der Erzbischof nach wie vor den Titel „Primas Germaniae“ führt. Das lässt sich aber natürlich bei Weitem nicht so gut verkaufen wie Mozartkugeln oder „What would Maria do?“-T-Shirts und wird deshalb nicht an die große Glocke gehängt.

Das „Rom der Alpen“, wie sich die Stadt der Stierwäscher auch nennt, und sein gleichnamiger Speckgürtel sind aber nicht nur für den Wolferl, die Trapps und Hugo von Hofmannsthal bekannt, sondern auch für... Ja wofür eigentlich? Die Salzburger haben weder einen besonders einprägsamen Dialekt, noch besonders auffällige Kulturformen entwickelt. Vielleicht war Musil ja in Salzburg, bevor er „Mann ohne Eigenschaften“ schrieb. Das einzig Besondere, das mir zu Salzburg sonst noch einfällt sind die gleichnamigen Nockerl und die Tatsache, dass der dortige Landtag als einziger in Österreich lediglich einen Vizepräsidenten hat, aber wen interessiert das schon...

Salzburg ist neben Vorarlberg das einzige Bundesland, das nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kein Territorium eingebüßt hat. Es gibt einen ganzen Haufen Seen, den sich die Salzburger aber zum Großteil mit den Oberösterreichern teilen müssen. Das Gebiet der Erzdiözese Salzburg reicht nach Tirol hinein, wo man die Zugehörigkeit an den grünen Kirchtürmen erkennt (rote gehören zur Diözese Innsbruck). Und der Erzbischof konnte bis zum Konkordat von 1934 selbst Bischöfe in den umliegenden Bistümern ernennen. Neben Bregenz ist Salzburg die einzige Landeshauptstadt, die ans Ausland grenzt. Die Stadt verfügt außerdem über das größte O-Bus-System Westeuropas.

Ansonsten sind die Salzburger aber leider sehr durchschnittlich. Natürlich ist man katholisch, die Protestanten wurden während der Gegenreformation durch den gebürtigen Vorarlberger Fürsterzbischof Markus Sittikus endgültig vertrieben. Aber ansonsten ist Salzburg für ein österreichisches Bundesland merkwürdig kantenlos: Kein Ortstafelstreit, keine unterdrückten Minderheiten, keine sonderlichen Stereotype. Man könnte höchstens sagen, die Salzburger sind nockerlnessende Blasmusikanten die im Frühjahr gern Felsenputzen. Gäähhhn . . . Sogar die öffentlichen Aufreger sind irgendwie farblos. Vor einigen Jahren gab's da mal eine Phallusstatue, die man schließlich abmontiert hat und dann ist da noch die ewige Frage, ob und wie man den Residenzplatz pflastern soll. Wow. . . Österreich erstickt in Korruption, in Salzburg spricht man über Bodenbeläge.

Es zeigt sich also: Wenn die Salzburger noch vollwertige Österreicher werden wollen, müssen sie sich ein paar negative Seiten zulegen. Alkoholismus und Fremdenfeindlichkeit sind leider schon belegt. Aber wie wär's mit mangelnder Körperhygiene? Das ist ein Stereotyp, das die Wiener sicherlich gern abtreten würden und jeder faule Zyniker könnte in Hinkunft sagen: „Do foa i ned hi, duat föits wia in Soizbuag.“ Also liebe Salzburger: Hört auf euch zu waschen, das gibt Charakter! Nach Geld zu stinken zählt übrigens nicht, das tun die Vorarlberger schon.

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