Samstag, 29. September 2012

Die Reise nach Leobersdorf, oder: schlechtes Karma

Glauben sie an Karma? Ich eigentlich auch nicht. Aber die Theorie, dass schlechten Leuten Schlechtes passiert, wenn sie Schlechtes tun, hat schon ihren Reiz. Mir jedenfalls passiert selten was Gutes. Das Ganze scheint - frei nach der homöopathischen Einsicht: Wenn's bei mir wirkt, wirkt's bei allen - also durchaus plausibel. Zum Beispiel habe ich es Zwei Jahre lang, zum Teil mit Begründung, zu Teil aus Bequemlichkeit, verabsäumt eine Publikation fertig zu redigieren. Mein Gewissen, sogar das ist bei mir schlecht, hat zwar zeitweise gedrückt, aber am Ende siegt ja meistens die Faulheit. Irgendwann hab ich es dann doch noch zusammengebracht, zur Freude des guten Oberverantwortlichen T. - er legt sehr viel Wert auf Privatsphäre - die Postille zu finalisieren. Dem lieben Paul, der für ebendiese Mitverantwortung trug, konnte ich die Erfüllung seines Solls nur unter Androhung von Zwangsgewalt abringen. Nach mühevoller Formatierungs- und Layoutarbeit war das 182-Seiten-Heftchen endlich - so glaubte ich damals - fertig. Aber es war bereits zu spät: Mein Karma war scheinbar schon zu weit ins Minus gerutscht.

Daher erscheint es auch nur gut und billig, dass mich am Freitag nach der Arbeit der unerwartete Ruf des guten T. ereilte, der mich mit dringendem Auftrag nach Leobersdorf entsandte. Dort wurde besagtes Heftel, dessen Vollendung ich solange prokrastiniert hatte, nämlich gedruckt. Abholzeiten bis 22:00 Uhr, juhu... An dieser Stelle möchte ich Ihnen liebe Leser völlig uneigennützig die Firma digitaldruck.at ans Herz legen. Sie arbeitet preisgünstig, korrekt, höflich und die Qualität stimmt auch. Ihr einziges Manko ist Leobersdorf. Wer mit dem Zug von Wien Meidling aus eine halbe Stunde nach Süden fährt, kann diesen feuchten Traum von großstadtflüchtigen Speckgürtelspießigern besichtigen. Sein trüber Anblick um halb acht Uhr abends erzeugte in mir ein Bild von Wien als Banane und Niederösterreich als pestizidverseuchter Schale. Leobersorf wäre dann dort, wo die Schale  braune Flecken hat. Das Wappen der Gemeinde zieren eine Kirche und Vögel, die wegfliegen. Wer dort war kann sie verstehen. In der Tat möchte man meinen, dieses besiedelte Stück Einöde könnte in Sachen depressiver Trostlosigkeit gut und gern mit St. Pölten konkurrieren, aber wir wollen Leobersdorf nicht zu viel Unrecht antun.

Die Sonne ging schon im Westen unter, als mich ein warmes Gefühl von Dankbarkeit beschlich, in Vorarlberg aufgewachsen sein zu dürfen. Dessen weltmännischer Charme verhält sich zu jenem von Leobersdorf in etwa so wie die Qualität der New York Times zu jener der Kronen Zeitung. Mein Versuch über mein Handy vernünftigen Radioempfang zu erhalten schlug fehl. Während bis auf Radio NÖ die ORF-Sender zum Teil massiv rauschten,  übertrugen „Radio Maria“ und „Kronehit“ tadellos. Mittlerweile empfand ich meinen Aufenthalt in diesem Tschernobyl der Kulturlosigkeit als Strafe Gottes.

Weil ich mir grundsätzlich schwer tue, Kartenmaßstäbe geistig in die Wirklichkeit umzulegen, hielt ich es für eine gute Idee, den Hinweg zu besagter Druckerei vom Bahnhof aus zu Fuß anzutreten. (An diesem Punkt der gute Rat: Falls Sie jemals dort was drucken lassen, fahren sie mit dem Auto hin.) An der langen Straße, aus der Leobersdorf scheinbar hauptsächlich besteht, gab's zunächst ein paar Wirts- und Wohnhäuser, dann einen Billa, dann eine Tankstelle, einen Hofer, dann ein Pferdefuttermittelfachgeschäft, dann eine Wiese, die Ortstafel (Leobersdorf), die Südautobahn samt Unterführung, ein Gartencenter, eine aufgelassene Tankstelle, noch eine Wiese (diesmal zu verpachten) und schließlich ein Shopping Center. Dort gibt es einen Interspar und einen MC Donald's. Danach hört der Gehsteig auf. Man muss nach links die Europastraße entlang, an der außer ihrer Geoposition überhaupt nichts europäisch ist, über einen Bach, an Hagebuttenhecken vorbei durch eine Wiese über einen Parkplatz und schon ist man - nach etwa drei Kilometern - da.

„Wo homses Auto denn higstöt?“ wollte der Druckereibedienstete von mir wissen. Meine Antwort irritierte ihn sichtlich. Mein Schock über das Ausmaß der georderten Druckereierzeugnisse saß ebenso tief. Fünf Kisten, jede wohl um die sieben Kilo schwer. Die am Bahnhof wohlweislich von einer Autotür notierte Taxinummer existierte offenbar nicht. Ein Anruf bei der Buchentwicklungszentrale des guten T. in Wien bescherte mir nach einer viertel Stunde dann doch die Dienste eines lizensierten Personentransportunternehmers. „Da mussu awer nacher gucken, dasse die Kisten innen Such krichst.“ Was denn einen Deutschen in die niederösterreichische Pampa verschlagen habe, wollte ich wissen. „Suerst meine Aweit und dann hat mich mein Priwatlewen hierjehalten.“ Außerdem gebe es, auch in Deutschland, sehr wohl schlimmere Orte. Ja, so log ich, ich könne mir gut vorstellen, dass es in Mecklenburg-Vorpommern öder zugehe. Während der restlichen Fahrt stellte der preußische Provinztaxler den Grad seiner Verösterreicherung unter Beweis, indem er mir die durchschnittliche Anzahl an „ausgesteckten“ Buschenschanken in dem 1.000-Seelendorf, in dem er wohnt, aufzählte. So bis zu 15 können es schon sein. Wobei man meiner Meinung nach mit Verurteilungen der lokalen Trinksucht vorsichtig sein sollte. Alkoholismus darf man in dieser Gegend niemandem ernstlich vorwerfen.

Mit meinen fünf Kisten, die zusammen mehr als die Hälfte von mir wogen, stellte er mich am Bahnhof ab. Rechnung: sechs Euro. Mir fällt es jetzt noch schwer, mir einen Ort vorzustellen, selbst wenn er in Deutschland liegt, der so trostlos ist, dass man ihn verlässt, um in Leobersdorf Sechs-Euro-Fuhren zu fahren. Er bekam, entgegen meiner Gewohnheit Tauben und Deutsche nicht zu füttern, zwei Euro Trinkgeld. Ich schleppte jeweils zwei Kartons und dann den letzten in die Bahnhofsvorhalle und dann weiter auf Bahnsteig drei, von wo der nächste Zug nach Wien abfahren sollte. Beim Tragen ließ ich den Rest jeweils unbeaufsichtigt. Meine Angst, dass jemand in Leobersdorf kiloweise wissenschaftliche Literatur stehlen könnte, hielt sich in sehr engen Grenzen. Im Allgemeinen geht man dort vermutlich solchen Alphabetisierungsgefahren eher aus dem Weg. Ein kurzer Hoffnungsschimmer, in meiner Not Hilfe zu erlangen, zerstob sehr schnell wieder. Die zwei Mormonen, die in der Bahnhofshalle die Zugpläne studierten, fuhren leider noch weiter nach Süden. Ich hätte mich für vier helfende Hände vielleicht sogar überzeugen lassen, dass vor fast 200 Jahren einem Ami Namens Joseph Smith der Engel Moroni erschienen ist. Ob man wohl in Utah im Winter heiße Moroni verkauft? Jedenfalls empfand ich Mitleid und Anerkennung für die Tapferkeit der beiden Bekehrer, noch tiefer in das unerforschte Niederösterreich vorzudringen. Albert Schweitzer hatte es sicher nicht leichter.

Währenddessen sprang auf meinem Bahnsteig ein dicklicher Migrant vor dem Süßigkeitenautomaten auf und ab und las dabei seiner Freundin am Handy das gesamte Sortiment vor. Gleichzeitig belästigte eine aufdringliche ältere Dame eine türkische Mutter und deren Tochter mit ihrer massiv zur Schau gestellten Toleranz. Schließlich packte sie sogar ihre Familienfotos aus „Das bin ich und das ist meine Mama und das meine Schwester.“ Verständnislose Blicke. „MAMA! S-C-H-W-E-S-T-E-R!“ bei den Bedrängten machte es immer noch nicht klick. „S-I-S-T-E-R“ versuchte die Greisin es dann mit Englisch. „Und des is a Klavier.... P-I-A-N-O!“ „Ah Piano!“ sagte die Türkin, die sich mittlerweile vor lauter Nervosität einen Tschick angesteckt hatte. Am Bahnsteig visavis begannen die beiden Mormonen zu beten. Auch das kann man in Niederösterreich keinem vorwerfen, vor allem dann nicht, wenn einem seine Religion den Genuss von Alkohol verbietet, oder wenn man von lästigen antiquierten Schaßtrommeln Familienfotos aus dem Dritten Reich vorgeführt bekommt.

Schließlich bat ich die penetrante alte Integrationswuchtel mir die Zugtüre offen zu halten, damit ich die fünf Schachteln hineintragen konnte, ohne dass die Hälfte davon allein nach Wien fuhr. Die Türkin nützte die Gelegenheit, um mit ihrem Kind in den vorderen Zugteil zu flüchten. „Jo, de Tia aufhoitn konn i eana scho, oba trogn nix, i hob an Bandscheibnvuafoi!“ Ich dankte herzlich, die Türe aufzuhalten genüge völlig. „Jo, oba hebn konn i nix!“ Ich trug zuerst zwei, dann drei Schachteln in den Zug. Mein menschlicher Türstopper unterstütze mich trotz Discusprolaps zumindest moralisch: „Nana, hetztns eana ned so!“

Erschöpft sank ich in einen Sitz und hatte dabei immer ein Auge auf die Kisten. Einige Stationen später stiegen zwei alkoholisierte Heurigenbesucher ein, die mich mit ihren tiefsinnigen Dialogen erfreuten, wobei der eine offenbar versuchte, den anderen anzupumpen. „I hob no nia wem a Göid gschuidet.“ „Oiso nix fia unguat, owa du host no nia am a Göid schuidt?“ Schließlich kam die Unterhaltung auf die allgemeinen Lebenserfahrungen der Zechbrüder: „I hob nein Joah mit drei Gegenfrauen vaton.“ „Na hea auf, i hob a vü zuvüle gheirot.“ „Jetzt host owa a brave Frau.“ „Na, ka brave, a nurmale.“ Ich bemerkte erst später, dass die so Beschriebene minutenlang still dabeigestanden hatte.

Am Bahnhof holte mich schließlich der gute T. um kurz vor halb neun ab und half mir aufopfernd beim tragen. Auf dem Weg zur Straßenbahn versagten bei mir jedoch schon mehrmals die Kräfte. Mit ziehen und schleppen schafften wir es bis ins Büro. Das Werk war vollbracht. 

Wenn Sie jetzt aber glauben, das Karma hätte seine Rechnung mit mir beglichen, so täuschen Sie sich. Auf dem Heimweg verkaufte mir der Würstelstandler an der Friedensbrücke eine Käsekrainer statt einer Bratwurst und die Ersatzpommes vom Mäci waren im Gegenzug kalt und ungesalzen. Ich muss ein wirklich schlechter Mensch sein.

Montag, 24. September 2012

Der Adel und die Republik, oder: Graf Bobbys Erben

Ulrich Habsburg-Lothringen kann jetzt zum Bundespräsidenten gewählt werden, das reicht ihm aber nicht. Nachdem er im Vorfeld der letzten Wahl des Staatsoberhauptes einen unglaublichen Wirbel um den Ausschluss von Mitgliedern regierender und ehemals regierender Häuser gemacht hatte, war prompt das Bundes-Verfassungsgesetz geändert worden. Jetzt versucht sich der renitente Fasterzherzog, der ausgerechnet für die Grünen politisch aktiv ist, erneut in Sachen Egalitarismus der anderen Art: Diesmal soll das Führen von Adelstitel wieder gestattet werden. Gott sei bei uns!

Unter den Möchtegernadeligen Europas sind ja bekanntlich die Vertreter des Adoptionsadels die Schlimmsten. Da schmeißen sich ehemalige Zuhälter und Konsorten, die irgend einer Alzeimerpatientin mit Adelsbrief den Lebensabend mit einer kleinen Apanage versüßt haben, in Phantasieuniformen und erdreisten sich dann auch noch zu verlangen, dass man sie mit „Durchlaucht“ oder „Hoheit“ anspricht. Da sei - wie gesagt - Gott vor, oder besser noch der Verfassungsgerichtshof.
Ein ganz gscheiter Herr meinte einst, er könne sich doch von einer deutschen „Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen“ - in Deutschland gibt's an und für sich auch keinen Adel mehr, der Titel gilt als Teil des Namens - adoptieren lassen und sich fortan Prinz nennen. Weil die österreichischen Behörden nicht immer ganz firm sind, was die Adelsthematik betrifft, gelang es dem ehemaligen Erwin Karl G. tatsächlich den Namen Ernst Albert Edward Philipp Ferdinand Erwin Karl Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzog zu Sachsen eintragen zu lassen. Blöderweise fand sich bei einer späteren Gelegenheit dann doch ein republikanisch gesinnter Beamter, dem das Adelsaufhebungsgesetz  nicht unbekannt war. Da der Titel keiner sei, sondern maximal Teil des Namens, könne der von Einer Frau Prinzessin adoptierte Prinz Ernst Albert etc. nicht ebenso, sondern nur Herr Erwin Karl Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen heißen, entschied der Magistrat der Stadt Wien. Der so Entmannte wendete sich in seiner Verzweiflung schließlich an den Verfassungsgerichtshof, der ihm zwar Recht gab, aber nicht so wie er es sich vorgestellt hatte. Der VfGH stellte vielmehr fest, dass die Behörde den Namen zwar nicht auf Prinzessin... hätte ändern dürfen, die Berichtigung aber nicht auf Prinz, sondern Herr Sachsen-Coburg-Gotha oder ähnliches hätte lauten müssen. Denn das Adelsaufhebungsgesetz normiert:
„Der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger werden aufgehoben.“
Den ganzen Antiadelshokuspokus verdankt Österreich einerseits dem seligen krampfandernwundertätigen Kaiser Karl und andererseits der Regierung Renner. Hätte Ersterer bei der Ausreise in die Schweiz nicht die österreichische Republik in seinem „Feldkircher Manifest“ zum Teufel gejagt und hätte die Staatsregierung nicht darauf so verschnupft mit der Abschaffung des Adels reagiert, der zweite Bundespräsident der Zweiten Republik hätte Theodor Körner, Edler von Siegringen geheißen. Weil's aber, wie bekannt, doch so gekommen ist, wird die Führung von Adelstiteln „von den politischen Behörden mit Geld bis zu 20.000 K[ronen] oder Arrest bis zu sechs Monaten bestraft.“

Die 20.000 Kronen-Strafandrohung hinderte den Heimwehrführer und überzeugten Antidemokraten Ernst Rüdiger Starhemberg aber nicht daran, sich Visitenkarten mit der Aufschrift
„Aus dem Geschlecht der Fürsten Starhemberg, geadelt von Karl dem Großen, entadelt von Karl Renner“
drucken zu lassen. Der verhinderte Fürst starb schließlich in Schruns einen humoresken Tod, als er sich bei einem Spaziergang ungeheuerlich über den Fotografen einer kommunistischen Postille echauffierte. Seine Mutter Fanny hatte die Entadelung noch stoischer hingenommen. Im Gespräch mit dem ersten Bundespräsidenten Michael Hainisch soll sie gesagt haben: 
 „Uns macht die Aufhebung des Adels nichts, wir bleiben mit oder ohne den Titel immer die Starhembergs.“
Auch einer der früher sehr beliebten Graf-Bobby-Witze, die sich um einen geistig eher mäßig begabten Adeligen drehen, beschäftig sich mit dem Thema. Der Graf grüßt auf der Straße einen Herrn und sagt „Grüßsie Herr Hawlicek, jössers ham Sie sich aber verändert!“ woraufhin der Angesprochene erwiedert „I haaß goa ned Hawlicek.“, darauf der Graf konsterniert: „Was? Ihren Namen hat man auch geändert?“

Heutzutage wird die Adelssache in Österreich hauptsächlich von jenen Parvenus am Kochen gehalten, die sich gerne mit Edler oder Ritter ansprechen lassen, bzw. wieder zu einer besseren Gesellschaft gehören möchten, deren Teil ihre Ahnen niemals waren. Das betrifft vor allem den sogenannten Beamtenadel, also solche Personen, deren Vorfahren aufgrund einer gewissen dienstrechtlichen Stellung in den niedrigen erblichen Adelsstand erhoben wurden. Was diese Kategorie betrifft, war Kaiser Franz Joseph in der Tat so großzügig in der Verteilung von Prädikaten, dass man ihn auch den Seeadler nannte, weil er, so die Pointe, überall adle wo er sehe. Unter ebendiesem Beamtenadel steht nur noch jene Gesellschaft, die man abschätzig den Bahnhofsadel nennt, weil seine Vertreter ihre Titel vom eigentlich schon abgedankten Kaiser Karl quasi unmittelbar vor dessen Abreise ins Exil erhielten.

Wenn dann aber ein Paar junge Möchtegernelitäre mit grünem Jägergilet die  „Vereinigung der Edelleute in Österreich“ gründen und ihn beim Innenministerium präpotent mit ihren Ex-Titeln eintragen lassen, motiviert das nicht unbedingt zur freudigen Unterstützung der Renobilitierungforderungen. Immerhin gestatten sie, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerorganisation, die Aufnahme nicht-katholischer Exadliger. Wie egalitär... Erinnert aber an einen weiteren Witz über den Grafen Bobby, zu dessen Zeiten die Standesvorschriften ja noch viel strenger waren:
Die Frau Mama des Grafen: „Bobby, du solltest heiraten.“
Graf Bobby: „Na gut! Aber wen denn?“
Mutter: „Na, wie wär's denn mit der Freiin Hohensee?“
Graf Bobby: „Niemals! Die ist mir viel zu fad.“
Frau Mama: „Oder die Baroness Weilburg?“
Graf Bobby: „Nein, viel zu dürr.“
Frau Mama: „Na, wen willst denn heiraten?“
Graf Bobby: „Am liebsten wäre mir der Rudi!“
Frau Mama: „Aber, Bobby! Das geht doch nicht! Der Rudi ist doch evangelisch!“
Das Verhältnis des republikanischen Österreich zum Exadel ist jedoch meist weniger humorvoll. Als der mittlerweile verstorbene Otto Habsburg-Lothringen - der seinen Sohn in die Geburtsurkunde mit Erzherzog von Österreich, königlicher Prinz von Ungarn, eintragen ließ - wieder einen Österreichischen Pass erhielt und dort keine Adelstitel eintragen lassen konnte, wollte er sich zunächst Otto Österreich nennen, was von den zuständigen Behörden jedoch abgelehnt wurde. Seine Anhänger hinderte es jedoch nicht daran, nach dem Requiem in Stephansdom, bei dem die Kaiserhymne gesungen worden war, vor der Kapuzinerkirche die aufgehobenen Adelstitel des ehemaligen kaiserlichen Hauses zu verlesen.

Die Wiedereinführung des Adels hätte wohl nur einen positiven Nebeneffekt. Die Zeiten, in denen sich Martin Bartenstein gern widerspruchslos ein „von“ Verpassen ließ, wären passé. Er stammt nämlich aus dem (immer schon) nichtadligen Teil der Familie. Sollten sich die Adelsbefürworter wider Erwarten mit ihren Forderungen durchsetzen, so wäre ihr Wortführer Ulrich Habsburg-Lothringen nicht nur Erzherzog von Österreich, sondern - neben einem Bündel von weiteren Titeln - auch Graf von Feldkirch und Herr auf der Windischen Mark. Warum er sich aber wegen der G'schicht so aufpudelt bleibt letztlich sowieso unklar. Immerhin hat er ja einen Doktortitel.

Freitag, 14. September 2012

Zu Risken und Nebenwirkungen..., oder: ein trauriger Blick ins Krone-Forum

Man braucht einen starken Magen, wenn man sich entschließt, seine Vorstellungen über die Verbreitung humanistischer Ideale über Bord zu werfen und im Onlineforum der Kronenzeitung zu blättern. Abgesehen von mangelnder Kenntnis der eigenen Sprache erschreckt bei den dort tätigen Postern vor allem ihre oft am Strafgesetzbuch kratzende Geisteshaltung. Keine Diskussion bleibt vom Furor jenes antisemitischen, antiislamischen und xenophoben Dauerdiskurses verschont, der auf www.krone.at geführt wird. Sogar wenn es um so banale Themen wie Verhütung geht, dreht sich die Diskussion im Wesentlichen nur um angebliche Überfremdung und „gebärfreudige Ausländerinnen“. Ein Poster mit dem Namen „junggebliebener“ meint dazu
Das eigentliche Drama ist, daß eine Schwangerschaft bei Frauen ohne Migrationshintergrund als Unglück hingestellt wird. Steht ein Plan dahinter?
Dass hinter allen möglichen Begebenheiten wohl ein Plan stecken muss ist überhaupt ein weit verbreitetes Denkschema im paranoiden Klub der Krone-Poster. Die Zeitung selbst bedient diesen Glauben nur zu gern. Dass Jörg Haider einem Attentat des Mossad zum Opfer gefallen sein könnte schreibt sie zwar nur mit Verweis auf entsprechende „Internetgerüchte“, die Diskussion im Forum ist dafür gleich viel eindeutiger. Der eine zeigt sich überzeugt davon, dass es ein Attentat gewesen sei und fragt sich, wie „2 türen herausfliegen [können], noch dazu wo eine türe praktisch unbeschädigt ist“. Manche Poster sind an Naivität wiederum kaum zu überbieten. Der User mit dem Namen „chmel-peter“ hat eine eigene Erklärung für die fehlende Zeitspanne zwischen der Abfahrt Haiders von seiner letzten Veranstaltung und dem Unfalltod: 
Ist schon Jemand auf die Idee gekommen, daß Haider eine Freundin hatte?
 Weniger drollig geht es zu, wenn Beiträge einen tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Konnex zu den Themen Islam und Judentum haben. Da reicht schon ein tragischer Vorfall in Stockholm, bei dem ein Betrunkener auf die U-Bahngleise fiel, von einem Zeugen ausgeraubt und schließlich vom herannahenden Zug überrollt wurde. Auf den Bildern der Überwachungskamera sieht man den Vorgang, mehr als das Geschlecht des Täters lässt sich aber nicht wirklich erraten. Die Krone-Gemeinde hat den Schuldigen aber natürlich bereits richtig verortet. Einer würde „ihn zum Ostblock zuordnen“, ein anderer meint:
Na eh klar - das war definitiv KEIN Schwede - sondern.... (neiiinnn ich bin nicht ausländerfeindlich) aber unsere nichtintegrierten Mitmenschen würden wahrscheinlich zu 90% das Gleiche machen.
Besonders grauslich wird die Diskussion, wenn etwa ein frustrierter Ex-Soldat in Wisconsin sechs Sikhs und einen Polizisten aus rassistischen Motiven erschießt. Der Täter, so heißt es, könne ja wohl auch nur ein Republikaner gewesen sein, mit Rassismus habe das nichts zu tun. Nur weil er ein Keltenkreuz tätowiert habe, heiße das nicht, dass er Neonazi sei. Dass über dem Kreuztattoo die Zahl „14“ - Synonym für die rassistische 14-Words-Formel - eingestochen ist, wird geflissentlich ignorriert. Ein User mit dem Pseudonym „derdeutsche“ spekuliert, dass einige „einfach ... aus[ticken], weil sie die Überfremdung nicht mehr ertragen können und Angst haben in 20 Jahren die Minderheit im eigenen Land zu sein.“ Er erhält dafür 21 zustimmende Klicks. Poster „panchovilla3858“ glaubt auch nicht an eine Verstrickung der Neonaziszene, die er liebevoll „neos“ nennt, denn die wüssten,„ das [sic!] der anschlag 9/11 ein vom cia insziniertes ding war. ich denke das war wieder einer von den geheimdiensten gekaufter mann wie halt in bologna u. sonst überall. wieder manipuliert sdie weltpresse.“ User „peto“ wiederum meint, der siebenfache Mörder könne „ ja zb auch Patriotisch angehaucht sein aber kein Nazi“ Ein anderer gibt noch mehr Grund zur Besorgnis:
Eines Tage werden wir uns auch wehren und lassen uns nicht alles gefallen.“  
Vor allem beim Thema Islam brennen bei vielen Krone.at-Postern die Sicherungen durch. Da wird etwa von User „schnicker“ gefordert, man solle Mekka „den erdboden gleich machen“ und in Richtung Muslime meint er: „ihr seid derzeit das krebsgeschwür nr...1“. Ein anderer sekundiert ihm mit der Aussage Muslime seien „ärger noch als die Pest und Aids zusammmen“.

Den Gruselfaktor überbieten können da nur noch Artikel mit antisemitischem Reizinhalt. Wenn die Krone etwa scheinheilig „Bewegend: Reich- Ranicki hält Rede zu Holocaustgedenken“ titelt, steigen ihre Jünger gleich ganz anders ein. Poster „gsteiermark“ fragt gleich wer denn „um die vielen Österreichischen und Deutschen Gefallenen“ trauere und den „Kriegerwitfrauen“ geholfen habe. Ein Antisemit mit dem Pseudonym „vorderwinkler“ schreibt gleich Tacheles:
Die Menschen haben es einfach satt sich von Juden schulmeistern und ständig belehren zu lassen. Man sollte sich einmal das Geflächt [sic!] von führenden Juden und Banken in Österreich einer Betrachtung unterziehen, da stehen einem die Haare zu Berge welche Netzwerke hier am Werk sind.
Ein weiterer meint, die Grünen sollten sich doch einmal fragen „wer wirklich die Welt regiert.“ Dem Poster mit dem Namen „mekong-tscharli“ fällt zum Holocaust nur das ein: „Das Opfer Geld ging schon vor dem 1. WW nach Übersee. Man liess schlaue Schafe sterben.“ User „landesclown“ stellt erneut die klassische antisemitische Kriegsgewinnlertheorie auf, wenn er fragt: „wer hat speziell in Östereich-Ungarn am 1 WK am meisten verdient? sicher keine Innuit oder Bototkuden, sondern unsere Juden“ In solchen Diskussionen machen gern Wörter wie „Holocaustindustrie“ die Runde. Wenn Juden aus antisemitischen Beweggründen ermordet werden kommen schon mal Sätze wie „ich kann mir gut vorstellen das der mossad sowas täglich macht“. Der User erhält für dieses Statement auch gleich 24 „stimme zu“. Wenn muslimische Einwanderer in Frankreich einen Juden entführen, grausam foltern und ermorden fällt so manchem Krone-Onlinekommentator nur sowas ein:
Juden waren die größten Schiffsausrüster für Sklavenschiffe in der karibischen Region.
 Benutzer „soya“ meldet sich im Forum zum selben Thema zu Wort: „Halli Hallo Ich bin kein Moslemi mag aber Juden trotzdem nicht.Ist das in Österreich vielleicht auch schon strafbar?“ Wieder 24 Zustimmungen. Nur manch einer verspürt scheinbar eine gewisse Zwiespalt, wenn Muslime Juden ermorden und entschließt sich spontan für die Seite des Opfers Partei zu ergreifen. Weil man aber immer noch im Krone-Forum ist, fällt das entsprechend so aus:
dieser dreckige Untermensch gehört ebenso zu Tode gefoltert wie er es dem armen unschuldigen Opfer angetan hat.Und danach möge er in der Hölle braten!
Dass die meisten Fans des Kroneforums aber lieber von beiden Religionen nichts wissen wollen, kann man lebhaft in der Diskussion zur Beschneidungsdebatte erfahren. User „guterfiatuno“ meint etwa, dass Hunde ja schon längst nicht mehr kupiert werden dürften, aber „die judenmuseln dürfen ihre säuglinge quälen“. Dem stimmen selbstverständlich gleich 27 weitere Krone-Leser zu. Benutzer „harei“ schlägt mit Unterstützung von 22 anderen vor, man könne 
bei manchen ein bisserl mehr wegschneiden, würde die Probleme für kommende Generationen lösen.
Im Online-Forum und auf den Kommentarseiten der Kronenzeitung tummelt sich ein in seiner Dreistigkeit und Verbalbrutalität abstoßendes Amalgam aus antisemitischen und ausländerfeindlichen Lesern, die entweder mit Hassmördern sympathisieren oder die Grenzen des Verbotsgesetzes ausloten. Beinahe tragikomisch wirkt die Angabe, das Forum werde moderiert. Wahrscheinlich verschwinden nur Postings, die auch der Krone massiv schaden könnten und in Richtungen gehen, die alle Pfade einer rechtsstaatlichen und humanistischen Gesellschaft längst verlassen haben. Dass all diese Leute ausgerechnet die Homepage der Krone zu ihrer „Heimseite“ erklärt haben, ist dabei wohl kaum ein Zufall. Das rechtskonservative Boulevardmedium bedient nicht nur den Massenmarkt der verborten Veränderungsverweigerer, sondern auch diejenigen Teile der Gesellschaft, die revisionistische, neonazistische, judenfeindliche, xenophobe, antiislamische oder geschichtsklitternde Ansichten vertreten. Nicht zu Unrecht gewann der Standard 2004 einen Prozess gegen die Krone, nach dem er sie als antisemitisch bezeichnet hatte. Auf ihrer Internetseite postet schließlich niemand anderes, als ihre geistige Brut, die sich wie ein Haufen Schweine in ihrem eigenen Dreck sult. Wer seinen Glauben an die Menschehit nicht vollends verlieren möchte, sollte dort jedenfalls nicht zu oft vorbeischauen.